Kein Flüstern im Verhandlungsraum!
Der Fall
Zwei Berater eines Energieversorgers sitzen in der Angebotsverhandlung mit einem Großkunden. Die Gegenpartei überrascht mit einer radikalen Rabattforderung. Die beiden Berater schauen sich an, flüstern hektisch, schreiben sich etwas auf einem Notizblock – alles sichtbar für den Kunden.
Dieser lächelt, sagt nichts. Nach dem Termin ruft er intern seinen Einkäufer an: „Die sind sich nicht einig. Da geht noch was.“
Der Fehler
Interne Abstimmungen im Verhandlungsraum wirken unprofessionell, unvorbereitet und signalisieren Unsicherheit – besonders wenn sie nonverbal oder flüsternd erfolgen.
Der Eindruck: Die Gegenseite bekommt Live-Einblick in Ihre Unsicherheit.
Noch schlimmer: Man verliert die Kontrolle über die Wirkung der eigenen Botschaft.
Die Lösung
Klärung, Neuorientierung und taktische Repositionierung dürfen niemals für die Gegenseite erkennbar stattfinden.
6 + 4 konkrete Maßnahmen
- Briefingleitfaden mit Entscheidungsrahmen in der Jackentasche: Erstellen Sie ein kompaktes 1-Seiten-Briefing mit den wichtigsten Positionen, No-Gos und Formulierungen. Definieren Sie für typische Szenarien (z. B. Rabattgrenzen, Zugeständnisse, Alternativen) vorab klare Entscheidungsgrenzen. Jeder im Team weiß so, was möglich ist – ohne Rücksprache. Jeder im Team hat denselben Zettel dabei – das verhindert Abweichungen im Raum.
- Sprecherprinzip einführen: Legen Sie fest, dass nur eine Person aktiv verhandelt, die anderen agieren unterstützend. Das verhindert, dass Diskussionen sichtbar werden oder mehrere gleichzeitig widersprüchliche Aussagen treffen.
- „Stop-the-show“-Signal vereinbaren: Nutzen Sie nonverbale Zeichen ( z.B. Stift auf den Tisch legen) oder kurze, neutrale Floskeln („Dazu kommen wir später noch.“), um Gesprächsbedarf zu signalisieren – ohne dass der andere es merkt.
- „Tote-Zeit“-Technik einsetzen: Wenn Abstimmung nötig wird: Vereinbaren Sie intern eine Technik, um scheinbar produktive „Denkzeit“ zu erzeugen. Beispiel: „Wir möchten Ihnen ein etwas weitergehendes Modell zeigen. Geben Sie uns 2 Minuten.“
- Rhetorische Puffer einsetzen: Wenn unerwartete Fragen kommen: Verwenden Sie vorbereitete Sprachmuster wie „Das prüfen wir gern für Sie.“ oder „Dazu melden wir uns in Kürze.“ Das verschafft Zeit – ohne Entscheidungsnot.
- Live-Synchronisation über Notizen oder Tablets: Statt zu reden: Synchronisieren Sie intern per gemeinsam genutztem, stummem digitalen Notizsystem (z. B. Tablet mit geteiltem Dokument), falls spontane Abstimmungen nötig sind. Wenig geeignet im Verhandlungsraum, jedoch hilfreich in Videoverhandlungen.
Vor allem wenn man alleine verhandelt:
- „Rückfrage an die Fachabteilung“-Technik: Formuliere eine sachliche Verzögerung, etwa „Zu diesem Punkt möchte ich eine kurze Rücksprache mit der Fachabteilung halten. Darf ich mir 5 Minuten Zeit nehmen?“
Diese Technik schafft Zeit – auch wenn Sie allein sind. Die „Fachabteilung“ kann dein Notizbuch, ein kurzer Spaziergang oder ein mentaler Reset sein. - Schriftlich klären statt spontan reagieren: Schieben Sie Ihre Antwort auf einen späteren Zeitpunkt, etwa mit „Lassen Sie mich dazu eine kurze Notiz machen – ich würde Ihnen das gern in der nächsten Runde konkret vorschlagen.“ So nutzen Sie das Gespräch selbst als Begründung für eine Pause.
- Flipchart- oder Whiteboard-Trick: Stellen Sie eine Zwischenfrage oder fassen Sie visuell zusammen – und schaffe Sie sich dabei bewusst eine Minute zum Sammeln:„Darf ich die bisherigen Punkte einmal kurz auf dem Flipchart zusammenfassen?“ Während Sie schreiben, denken Sie nach und regulieren Ihr Tempo.
- Eigene Frage als Zeitgewinn nutzen: Stellen Sie gezielt eine Rückfrage mit Denkpotenzial, z. B.: „Wie genau würden Sie diesen Punkt aus Sicht Ihrer Kunden bewerten?“ Dann: Stille halten, beobachten – und innerlich sortieren. Die Sprechzeit der anderen wird zu Ihrer Pausenzeit.
Der Merksatz
Keine internen Abstimmungen im Verhandlungsraum: Innehalten, überdenken, neu positionieren – immer in der Pause. Draußen!
Die ZENTUNO-Methode
Die ZENTUNO-Methode strukturiert den komplexen Verhandlungsprozess in überschaubare Phasen. Sie hilft, den Überblick zu behalten, Ziele konsequent zu verfolgen und ermöglicht eine systematische, fehlerfreie Herangehensweise an jede Verhandlungssituation.
Weitere Merksatz-Briefings
Wenn Prozentzahlen die Wahrheit verdecken
Ein Schlagabtausch über Prozente bringt selten Lösungen. Wer die Interessen, Alternativen und Befugnisse seines Gegenübers nicht kennt, kämpft im Dunkeln – und verliert oft den Deal.
Perfektion weckt Angst – und Angst verschreckt den Kunden
Wer um jeden Preis Recht behalten will, verunsichert den Kunden. Dieser trifft dann lieber gar keine Entscheidung, um keine falsche zu treffen – und der Deal scheitert.
Sie möchten Vertrauen aufbauen? Dann hören Sie auf zu drängen!
Vertrauen braucht Entscheidungsfreiheit und Gemeinsamkeiten. Wer drängt erzeugt Ablehnung.