Wenn Prozentzahlen die Wahrheit verdecken
Der Fall
Markus, Einkäufer eines mittelständischen Maschinenbauers, sitzt mit seinem langjährigen Lieferanten am Tisch.
Eigentlich Routine – doch gleich zu Beginn kracht es: „Wir müssen unsere Preise um 12 Prozent erhöhen“, sagt der Lieferant.
Markus schießt zurück: „Unmöglich, das akzeptiere ich nicht!“
Aus dem Gespräch wird ein Schlagabtausch. Prozentzahlen fliegen wie harte Haken, jede Seite blockt ab, keiner bewegt sich. Nach Stunden ist die Stimmung vergiftet, der Kaffee kalt.
Markus spürt den Druck – gibt er nach, verliert er sein Gesicht; bleibt er hart, riskiert er die Lieferkette. Er bricht erschöpft ab. Kein Ergebnis, nur verbrannte Erde.
Erst später erfährt er, dass der Lieferant unter massivem Druck seiner Bank stand – und dass sein Gesprächspartner gar nicht entscheidungsbefugt war. Mit diesem Wissen hätte Markus Alternativen wie längere Zahlungsziele oder größere Abnahmemengen ins Spiel bringen können.
Doch der Moment war vertan!
Der Fehler
Markus’ Fehler bestand darin, gar nicht erst zu versuchen, die Beweggründe seines Gegenübers zu ergründen.
Er blieb im Schlagabtausch über Prozente stecken, ohne nach den Ursachen der Forderung zu fragen.
Hätte er an diesem Punkt nachgeforscht, hätte er möglicherweise erkannt, dass der Lieferant nicht frei entscheiden konnte und dass es andere Lösungswege gegeben hätte.
Mit diesem Wissen wäre zumindest die Chance entstanden, neue Optionen zu finden. Doch weil er diesen Schritt nicht unternahm, blieb diese Möglichkeit ungenutzt.
Die Lösung
Die ZENTUNO-Methode fordert den Lagerwechsel:
systematisch in die Welt des Gegenübers eintauchen.
Die vier Schlüssel heißen Positionen, Interessen, Alternativen und Befugnisse.
Wer sie kennt, verhandelt nicht blind, sondern findet Lösungen, die über starre Forderungen hinausgehen.
Konkrete Maßnahmen
- Fragen nach Hintergründen stellen:
Statt reflexartig zu blocken, gezielt nach den Gründen der Forderung fragen:
– „Was hat Sie dazu bewogen, diese Anpassung vorzuschlagen?“
– „Welche Rahmenbedingungen spielen hier für Sie eine Rolle?“ - Alternativen ins Spiel bringen:
Wenn der Preis fix scheint, andere Hebel prüfen:
– „Welche anderen Möglichkeiten sehen Sie, unsere Zusammenarbeit weiterhin ausgewogen zu gestalten?“
– „Gibt es Stellschrauben jenseits des Preises, an denen wir gemeinsam drehen können?“ - Befugnisse frühzeitig klären:
Um nicht in Sackgassen zu geraten, hätte Markus fragen können:
– „Wer wird auf Ihrer Seite in die finale Entscheidung eingebunden?“
– „Wen sollten wir gegebenenfalls noch mit an den Tisch holen?“ - Nicht auf die erste Forderung reagieren:
Informationen sammeln, bevor man Position bezieht. Hilfreich sind Zwischenfragen wie:
– „Können Sie erläutern, welche Ziele Sie mit dieser Anpassung verbinden?“
– „Gibt es Punkte, an denen Sie noch Spielraum sehen?“ - Interessen erfassen:
Gezielt nach übergeordneten Zielen fragen:
– „Was ist Ihnen an unserer Zusammenarbeit besonders wichtig?“
– „Woran würden Sie erkennen, dass dieses Gespräch für beide Seiten erfolgreich verlaufen ist?“ - Informationsquellen erweitern:
Auch wenn die Gegenseite wenig preisgibt, können Fragen helfen, Lücken zu schließen:
– „Wie schätzen Sie die aktuelle Marktsituation ein?“
– „Welche externen Faktoren beeinflussen Ihre Planung am stärksten?“ - Mehrwert sichtbar machen:
Eigene Vorschläge anschlussfähig machen, indem man fragt:
– „Wie könnte ein Vorschlag aussehen, der für beide Seiten Nutzen stiftet?“
– „Welche Lösung würde für Sie den größten Mehrwert schaffen?“
Der Merksatz
Erkunden Sie die Welt Ihres Gegenübers: Positionen, Interessen, Alternativen und Befugnisse sind die Schlüssel, um zu verstehen.
Die ZENTUNO-Methode
Die ZENTUNO-Methode strukturiert den komplexen Verhandlungsprozess in überschaubare Phasen. Sie hilft, den Überblick zu behalten, Ziele konsequent zu verfolgen und ermöglicht eine systematische, fehlerfreie Herangehensweise an jede Verhandlungssituation.
Weitere Merksatz-Briefings
Perfektion weckt Angst – und Angst verschreckt den Kunden
Wer um jeden Preis Recht behalten will, verunsichert den Kunden. Dieser trifft dann lieber gar keine Entscheidung, um keine falsche zu treffen – und der Deal scheitert.
Sie möchten Vertrauen aufbauen? Dann hören Sie auf zu drängen!
Vertrauen braucht Entscheidungsfreiheit und Gemeinsamkeiten. Wer drängt erzeugt Ablehnung.
Wer sich falsch setzt, sitzt schnell alleine!
Wer den Verhandlungsort wählt, ist oft schon vor dem ersten Wort im Vorteil. Subtile Rahmenbedingungen können darüber entscheiden, wie offen oder abweisend die Gegenseite agiert.