Merksatz 14

Es ist ein Drama: Man hat sich geeinigt und doch viel verloren.

Das Problem

Zwei Schwestern streiten sich um eine Orange. Beide bestehen darauf, die ganze Frucht zu bekommen. Nachdem sie sich schließlich darauf geeinigt hatten, die Orange in zwei Hälften zu teilen, nahm die eine Schwester ihre Hälfte, aß die Frucht und warf die Schale weg, während die andere Schwester die Frucht wegwarf und die Schale ihrer Hälfte zum Backen eines Kuchens verwendete.

Allzu oft „lassen die Verhandlungsparteien Geld auf dem Tisch liegen“ – sie erzielen keine Einigung, obwohl dies möglich gewesen wäre, oder die erzielte Einigung hätte für beide Seiten besser sein können. Zu viele Verhandlungen enden damit, dass jede Seite nur eine halbe Orange erhält, anstatt dass eine Seite die ganze Frucht und die andere die ganze Schale bekommt (nach Roger Fisher/William Ury, Getting to YES, 2. Auflage, S. 31).

Der Fehler: man hat sich auf die Positionen, d.h. auf die Verhandlungsgegenstände, versteift hat, anstatt die zugrunde liegenden Bedürfnisse zu erkennen. Verhandlungsgegenstände sind die Dinge, die “auf dem Tisch liegen”, die also unmittelbar Gegenstand der Verhandlung sind.

Bei einem Autokauf etwa der Preis, das Auto, die Lieferfristen, die Garantieleistungen. Verhandlungsgegenstände sind für die Parteien nur Mittel zum Zweck der Befriedigung ihrer Interessen. Beim Autokauf das Interesse des Käufers an Mobilität, Sicherheit, Prestige oder das Interesse des Verkäufers an Liquidität, freier Stellfläche, an Folgegeschäft.

Das Ganze hat auch einen zeitlichen Aspekt: Die Verhandlungsgegenstände sind in der Verhandlung existent, die Befriedigung der Interessen liegt in der Zukunft.

Die Lösung

Identifizieren Sie Ihre wahren Bedürfnisse. Ermitteln Sie die Interessen und Bedürfnisse der anderen Seite.

Nur wenn Sie deren Interessen kennen, wissen Sie, was der Verhandlungsgegenstand, den Sie anbieten, für die andere Seite wert ist. 

Hätten die beiden Schwestern dies getan, wäre das Ergebnis für beide besser gewesen: Die eine hätte die ganze Schale, die andere die ganze Frucht bekommen.

Die folgenden drei Schritte werden Ihnen helfen, diesen Fehler zu vermeiden:

  1. Analysieren Sie Ihre wirklichen Interessen:
    • Wie verändert sich meine wirtschaftliche Position, wenn ich bekomme, was ich will?
    • Was mache ich mit dem Gegenstand, den mir die Gegenseite anbietet, wenn ich ihn habe?
    • Welche wirtschaftlichen Vorteile, aber auch welche Nachteile bringt mir die Gegenleistung der anderen Seite?
  2. Untersuchen Sie die Interessen der Gegenseite:.
    • Was wird die Gegenseite mit meinem Gegenstand machen, wenn sie ihn hat?
    • Kann sie ihn anders nutzen als ich?
    • Bringt er ihr zusätzliche oder andere Vorteile?
  3. Seien Sie offen für alternative Lösungsmöglichkeiten: 
    • Wie könnten die Interessen noch befriedigt werden, außer durch den Austausch der Verhandlungsgegenstände, die jetzt auf dem Tisch liegen?
    • Welche weichen Faktoren (Lieferzeit, Service etc.) könnten einen vergleichbaren wirtschaftlichen Vorteil bringen?
    • Wodurch könnten die Verhandlungsgegenstände ersetzt werden, um gleiche oder vergleichbare wirtschaftliche Ergebnisse zu erzielen?

Der Merksatz

Interessen statt Positionen: Verhandeln Sie für Ihre Bedürfnisse, nicht für Ihre Forderungen.

Die ZENTUNO-Methode

Die ZENTUNO-Methode strukturiert den komplexen Verhandlungsprozess in überschaubare Phasen. Sie hilft, den Überblick zu behalten, Ziele konsequent zu verfolgen und ermöglicht eine systematische, fehlerfreie Herangehensweise an jede Verhandlungssituation.

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