Merksatz 38

Nur Anfänger stürmen die Zugbrücke – Profis suchen den ungesicherten Hintereingang

Alternativen entfesseln, Informationsdefizit bewältigen, Lagerwechsel vornehmen

Der Fall

Ein junges Start-up pitcht vor einem globalen Konzern.

Der Einkauf sitzt mit acht Personen am Tisch, die Gründer mit nur zwei. Die Atmosphäre ist einschüchternd: Anzugträger, ernste Blicke, eine lange Liste an Bedingungen.

Der Gründer spürt den Druck und denkt: „Wir haben hier keine Chance. Die sind viel zu mächtig.“

Doch anstatt einzuknicken, entscheidet er sich, das Gespräch zu drehen. Statt sich von der schieren Größe blenden zu lassen, fokussiert er auf seine Stärke: Die Lösung des Start-ups löst ein akutes Problem des Konzerns, das bisher niemand adressiert hat. Er setzt genau dort an, zeigt konkrete Einsparpotenziale, und plötzlich schweigt die Übermacht.

Der Einkauf beginnt Fragen zu stellen – jetzt auf Augenhöhe.

Der Fehler

Viele Verhandler starren gebannt auf die Machtkulisse der Gegenseite: Anzahl der Leute, Größe des Unternehmens, Marktstellung, politischer Einfluss.

Diese Einschätzung kann lähmen. Wer glaubt, der Gegner sei unüberwindbar, läuft Gefahr, seine eigene Verhandlungsmöglichkeiten können dagegen nicht mithalten.

Doch die entscheidende Frage lautet nie: „Wie mächtig wirkt der andere?“ sondern: „Wie setze ich meine eigenen Mittel ein?

Wer sich von der Erscheinung einschüchtern lässt, verstärkt die Gegenseite und schwächt sich selbst – oft ohne Grund.

Auch die stärkste Burg hat ein ungeschütztes Tor und oft reicht ein präziser Schlag an der richtigen Stelle.

Die Lösung

Verhandlungsmacht entsteht nicht durch Lautstärke oder Einschüchterung, sondern durch den gezielten Einsatz Ihrer eigenen Mittel.

Entscheidend ist die optimale Aktivierung der vier Elemente der Verhandlungsmacht (PRIMA): Prozesszufriedenheit, Informationsarbeit, Mehrwert, Alternativen. Ob die Gegenseite stark oder schwach erscheint, ist zweitrangig. Sie können nur steuern, was in Ihrem Einflussbereich liegt – und genau dort liegt Ihre Stärke.

Fünf konkrete Maßnahmen:

  1. Sicht auf die Gegenseite relativieren:
    Fragen Sie sich nüchtern: Welche Macht hat die Gegenseite wirklich, und wo sind ihre Abhängigkeiten? Ein globaler Konzern wirkt mächtig – aber oft ist ein einzelner Projektleiter dringend auf eine Lösung angewiesen. Differenzieren Sie zwischen „Scheinmacht“ (Größe, Auftritt) und „Substanzmacht“ (faktische Alternativen, Dringlichkeit).
  2. Eigene Mittel maximieren:
    Prüfen Sie systematisch Ihr PRIMA: Haben Sie Informationen, die die Gegenseite braucht? Können Sie Mehrwert schaffen, den nur Sie liefern können? Haben Sie eine Alternative, die Ihnen Unabhängigkeit verschafft? Wer jedes Element aktiv bearbeitet, stärkt seine Verhandlungsposition unabhängig von der Größe des Gegners.
  3. Den Blick auf den Gegner umkehren:
    Statt sich zu fragen „Wie groß ist deren Macht?“ stellen Sie die Frage: „Wie wirkt meine Macht auf sie?“ Präsentieren Sie Ihre Stärken so, dass sie die Schwachstellen der Gegenseite berühren – etwa Zeitdruck, interne Zwänge oder fehlende Alternativen. So wird Ihre Macht sichtbar und wirksam.
  4. Cool bleiben – keine Deutungshoheit abgeben:
    Innere Ruhe ist ein Machtfaktor. Wer auftritt, als sei er gleichwertig, wird auch so behandelt. Emotionale Reaktionen auf die Machtkulisse des Gegners entwerten das eigene Standing. Trainieren Sie kühlen Kopf und klare Linie.
  5. Den Burg-Graben finden:
    Analysieren Sie systematisch, wo die „Burg“ der Gegenseite verwundbar ist: Gibt es Abhängigkeiten? Sind Prozesse träge? Fehlen ihnen Alternativen? Jede Burg hat ein schwaches Tor – Ihr Job ist es, es zu finden und gezielt dort Druck zu entfalten.

Der Merksatz

Die andere Seite erscheint Ihnen zu mächtig? Bewahren Sie einen kühlen Kopf: Entscheidend ist der kluge Einsatz Ihrer verfügbaren Verhandlungsmacht in der jeweiligen Situation, nicht wie mächtig die andere Seite sein mag. Auch die stärkste Burg hat eine Schwachstelle.

Die ZENTUNO-Methode

Die ZENTUNO-Methode strukturiert den komplexen Verhandlungsprozess in überschaubare Phasen. Sie hilft, den Überblick zu behalten, Ziele konsequent zu verfolgen und ermöglicht eine systematische, fehlerfreie Herangehensweise an jede Verhandlungssituation.

Darstellung des Zentuno-VerhandlungsrastersMehr erfahren

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